Landwirtschaft seit 1816

Der Zeitstrahl zeigt die Beeinflussung von Versorgungs- und Bevölkerungskrisen auf die landwirtschaftliche Ausbildung der jeweiligen Zeit auf. Ersichtlich sollte dabei sein, wie die Krisen überwunden wurden und sich dabei die landwirtschaftliche Schule verändert hat. Dabei wird das Augenmerk auf folgende Ereignisse gelegt:

·      1816 – 1817 Hungersnot
·      1840 – 1850 Kartoffelkrankheit, Auswanderungswelle
·      1870 Agrarkrise und Wirtschaftskrise (Massnahmen/Resultate)
·      1914 – 1918 Erster Weltkrieg: Versorgungskrise und (Massnahme/Resultate)
·      1929 – 1945 Zweiter Weltkrieg: Vorsorge und Massnahme/Resultate
·      Ab 1950 Vorsorge

Dem Leser soll gezeigt werden, wie die Landwirtschaft durch Bevölkerungskrisen stark beeinflusst wird und wie sie sich jeweils daraus entwickelt hat. Dem Leser sollte so mitgeteilt werden, welcher Einsatz die Landwirtschaft dabei leistet und welche Konsequenzen dabei entstehen können. Allem in allem steht dabei die Wichtigkeit der Landwirtschaft mit der Ernährungssicherheit im Vordergrund.


1816 / 1817 Hungersnot

turner
Im Jahr 1815 wurde durch den Ausbruch des Vulkans Tambora auf der Insel Sumbawa in Indonesien, die Atmosphäre mit einer Ascheschicht verschmutzt. Dies änderte das Klima auf ungeahnte Weise. Die Konsequenzen waren auch in der Schweiz zu spüren. Die Asche führte zum kältesten Sommer der Geschichte. Neben grossen Regenfällen kommt es 1816 auch zu Schneefall im Sommer bis in die tiefen Lagen. Die Ernte wurde beinahe komplett zerstört, v.a. durch Frost und Nässe. Wegen dieses Ereignisses stiegen die Getreidepreise auf ein unerschwingliches Niveau. Die Bevölkerung war derart hungrig, dass im Zürcher Oberland die Kinder armer Familien „wie Schafe auf den kargen Wiesen weideten“. (Vulkan Vesuv bricht aus; William Turner)
hunger1817
Landwirtschaft damals: Erträge der Getreide-Äcker waren gerade mal bei 3 dt/ha. Die Staatsabgaben lagen bei stolzen 25%. Der Brotpreis stieg 1816 auf das 2-4 fache gegenüber normalen Jahren, mit der Folge, dass die ärmsten Leute sich Brot nicht mehr leisten konnten. (Hunger 1817; Anna Barbara Giezendanner)

Einfluss auf die Landwirtschaftliche Ausbildung: Um solchen Katastrophen besser entgegen wirken zu können, schuf eine Kommission der damaligen Zürcher Regierung eine Armenschule, um heranwachsende arbeitslose Jugendlichen „in den Stand zu setzen, ihr Brot selber zu verdienen“ in der Landwirtschaft. Die erste Landwirtschaftliche Schule in Zürich wurde 1818 gegründet, der Bläsihof in Winterberg, die bis 1826 bestand. Es dauerte allerdings noch Jahrzehnte, bis 1853 die Landwirtschaftliche Schule Strickhof in Zürich ihren Betrieb aufnahm.


1845 – 1850 Kartoffelkrankheit und Auswanderung

emigranten
Ab dem Jahre 1845 trafen die Ernteverluste aufgrund einer neuartigen Kartoffelkrankheit, der sog. Krautfäule, welche durch einen Pilz ausgelöst wurde, die europäische Bevölkerung stark. Dieser Pilz gelangte ab 1842 aus Amerika nach Europa. Durch die ungünstigen Bodenbedingungen (meist Anbau in Monokultur) konnte sich der Pilz flächenbrandartig auf dem Kontinent ausbreiten. Irland traf es am schlimmsten, wo er eine grosse Hungersnot auslöste und zwischen 1845 und 1849 einer Million Iren den Tod brachte. Weiter bewegte die Krautfäule einige Millionen Europäer zur Auswanderung nach Nordamerika. (Emigranten verlassen Irland; Henry Edward Doyle)
cormick
Landwirtschaft damals: Um 1840 entdeckte Justus von Liebig die Wirkung von Mineraldüngern. Dieser ermöglichte, ebenso wie Erfolge in der Züchtung und die Entwicklung neuer Maschinen, eine Steigerung der Erträge um ein Vielfaches. Allerdings öffnete sich auch die Produktivitätsschere zwischen Gebieten mit moderner und traditioneller Landwirtschaft. (Erntemaschine von Cyrus H. Mc Cormick)

Einfluss auf die Landwirtschaftliche Ausbildung: Um die Krautfäule und das damit verbundene Elend in den folgenden Jahren in den Griff zu bekommen, wurde der Fokus vermehrt auf die Züchtung und Selektion von Krautfäule-resistenten Sorten gelegt. Besondere Handlungsempfehlungen für den Landwirten aus dieser Zeit war eine strenge Kontrolle des Saatgutes, da die Infektion bereits von der zu setzenden Knolle ausgeht. Ab 1882 verbreiteten sich Kupferlösungen als gängige Fungizide, um die flächenübergreifende Ausbreitung der Krankheit einzudämmen.


1870 Agrar- und Wirtschaftskrise

getreidepreis
Die Krise hängt stark mit der Getreideproduktion zusammen, weil das Getreide das wichtigste Handelsgut zu dieser Zeit war. Bis 1870 stieg die Produktion des Getreides stetig an. Durch den Bau von Dampfschiffen und Eisenbahnen wurde immer mehr importiert, vor allem von Amerikas Prärien. Die grosse Importmenge führte zu einem Preissturz, was die Inländische Produktion schwächte und zum Rückgang des Getreideanbaus führte. Die Krise dauerte 20 Jahre an. (Getreidepreis von 1850-1910; Historische Statistik)
Kornernte
Landwirtschaft damals: Die Landwirtschaft war geprägt vom Ackerbau, vor allem vom Getreideanbau. Die Ackerfläche war mehr als doppelt so gross wie heute. Nach dem Preissturz gaben viele Bauern die Getreideproduktion auf und stellten auf die Milchproduktion um. Zahlreiche Käsereien entstehen. (Bei der Kornernte; George Stubbs)

Massnahmen / Einfluss auf die Landwirtschaftliche Ausbildung: Die Bauern erkennen, dass sie sich organisieren müssen, um gemeinsam am Markt bestehen zu können. Diese Erkenntnis führte zur Gründung landwirtschaftlicher Genossenschaften, Käsereigenossenschaften und Raiffeisenkassen. Zunehmend wurde die Forderung nach Unterstützung des Bundes laut. Der Bund verrichtete 1884 erste Subventionen an die Bauern. 1891 wurde ein Zolltarif eingeführt, um einen Schutz vor den Billigimporten zu erhalten. Das erste Landwirtschaftsgesetz trat 1892 in Kraft. Im Jahr 1897 wurde der Schweizerische Bauernverband gegründet.

Ab dem Jahr 1890 erholte sich die Landwirtschaft langsam von der Krise. Die Schweiz wandelte sich vom Ackerland („gelbe Schweiz) zum Milchland (grüne Schweiz). Die Schweiz war kein Selbstversorgerland mehr, sie wurde zur Käseexportnation.

Die Landwirtschaft musste gefördert und motiviert werden, so stand dies jetzt im Bundesgesetz von 1893. Innert weniger Jahre boten die Schulen Jahres- oder Winterkurse an. Die Anzahl Auszubildender stieg stark an. Die Ausbildung richtete sich aus an der landwirtschaftlichen Botanik, Zoologie, Chemie, Düngung, Physik, Mechanik, Betriebslehre, Technologie, Milchwirtschaft und Tierzucht.


1914-1918 Erster Weltkrieg: Versorgungskrise

flieger
Von 1914 bis 1918 tobte in Europa, dem Nahen Osten, Afrika, Ostasien und auf den Weltmeeren der erste Weltkrieg. Er führte zu nahezu zehn Millionen Todesopfer und wurde durch Friedensverträge beendet. Die Schweiz wurde nicht in den Krieg involviert; für sie brach jedoch der Handel zusammen. Das führte zu Versorgungsengpässen und die Lebensmittel mussten rationiert werden. Während dieser Zeit stiegen die Lebensmittelpreise stark an trotz gleichbleibenden Löhnen. Die Inflation zwischen 1914 und 1918 betrug mehr als 100%. Dadurch wurde der Generalstreik 1918 ausgelöst. (Erster Weltkrieg; Sabine Bitter)
heroische frauen
Landwirtschaft damals: Da vor dem Krieg die Produktion im Ausland günstiger war, wurde viel Getreide importiert. Durch den Import ging die Inlandproduktion stark zurück, dadurch entstanden während dem ersten Weltkrieg Versorgungsengpässe. Nach dem ersten Weltkrieg wurden erste Massnahmen beschlossen, um die Selbstversorgung zu erhöhen. Die wichtigsten Produkte wurden durch den Staat eingekauft und vermarktet. Die Landwirtschaft hatte eine Abnahme-Garantie und gesicherte Preise. (Heroische Frauen von Frankreich; U.S. Food Administration)

Einfluss auf die Landwirtschaftliche Ausbildung: Ein direkter Einfluss war, dass der Bund die Anzahl Winterschulen von 1910 bis 1930 verdoppelte. Die Reglementierung der praktischen Ausbildung fand erst 1931 statt. Weiter wurde durch den Krieg eine neue Agrarpolitik kreiert. Das Ziel dieser war es, die Versorgung des Landes mit allen Mitteln sicher zu stellen.


1939-1945 Zweiter Weltkrieg: Vorsorge / Plan Wahlen

rationierung
Die Bevölkerung war besser auf den 2. Weltkrieg vorbereitet. Die Rationierung wurde sofort nach der Schliessung der Grenzen 1939 eingeführt. Um auf den Import zu verzichten, wurde die folgenden vier Grundsätzen befolgt; sparsame Bewirtschaftung der Vorräte, Ausnützung aller Ressourcen im Anbau und Wiederverwertung, organisierter Einsatz der Produktionsmittel und strickte Einschränkung aller nicht lebenswichtigen Tätigkeiten. Zudem wurden zwei fleischlose Tage pro Woche eingeführt. Die Rationierung wurde in den Jahren nach dem Krieg langsam gelockert und dann ganz aufgehoben. (Rationierung in der Schweiz; Paebi)
Unbenannt
Landwirtschaft damals: Sogenannte „Anbauschlacht“ mit Plan Wahlen: Um die Bevölkerung zu versorgen, wurde die landwirtschaftliche Produktion stark gefördert. Die Anbaufläche sollte von 180’000 auf 500’000 ausgebaut werden; erreicht wurde jedoch nur 352’000 Hektaren. Die Flächen kamen durch Rodungen, Meliorationen und den Einbezug von Parkanlagen zu Stande. Der Brotgetreide-Anbau wurde in der Schweiz verdoppelt, die Kartoffelernte verdreifacht. (Anbauschlacht 1943; Photograph unbekannt)

Einfluss auf die Landwirtschaftliche Ausbildung: Die Produktion in der Landwirtschaft wurde im zweiten Weltkrieg vorangetrieben. Das Ziel war es sicherzustellen, dass die Schweiz nie wieder von einer Hungersnot heimgesucht werden würde. Die Ausbildung richtete sich vor allem auf die Produktionstechnischen Fächer wie, Pflanzenbau, Obstbau, Waldwirtschaft, spez. Tierhaltung, etc.


1950 Nachkriegslandwirtschaft mit Preisgarantie

urdinkel
Ab dem 2 Weltkrieg, Reserven angelegt, ausgebaut und Pflichtlager für Brotgetreide eingeführt, um besser auf Versorgungskrisen gewappnet zu sein. Im Laufe der Zeit ist die Wissenschaft soweit fortgeschritten, dass Vulkanausbrüche besser vorhergesagt werden können und auch das Wissen vorhanden wäre, wie auf solche Katastrophen reagiert werden könnte. Aber wie schon 1816 hängt dies stark von der Politik ab. (Urdinkel in Säcken; Gabi Bichsel)
anbauschlacht_loki
Landwirtschaft damals: Nach dem Krieg führten Staat und Verbände eine Regelung des Milchpreises ein, verbunden mit einer Abnahmegarantie und einer Abgabeverpflichtung. Einen massiven Ausbau erfuhr diese Politik bereits Ende der 1930er Jahre mit ihrer Ausdehnung auf die Ackerbauprodukte. Im Landwirtschaftsgesetz 1951 wurde der Versorgungsauftrag der Landwirtschaft festgelegt. Zudem wurde darin ein gesunder Bauernstand und eine leistungsfähige Landwirtschaft propagiert. Daraus abgeleitet wurden eine Strukturpolitik mit Abnahmegarantien, Preisstützungen sowie Anbauvorschriften. (Anbauschlacht der Loki 1942; Photograph unbekannt)

Einfluss auf die landwirtschaftliche Ausbildung: Der technologische-biologische Fortschritt ermöglichte Produktivitätssteigerungen in zuvor undenkbaren Ausmassen. So stieg die landwirtschaftliche Produktion trotz Abwanderung aus dem Agrarsektor in den 1950er und 60er Jahren so stark an, dass die Kosten für die Preisstützung, auch wegen negativer Folgen der Intensivierung, zunehmend in Frage gestellt und Reformbegehren laut wurden. Die sinkenden Preise von Agrar-Importgütern führten zudem seit den späten 1960er Jahren zur Forderung nach einer Änderung der Agrarpolitik, die auch die Umwelt schont und trotzdem marktgerecht sein soll. In der Landwirtschaftlichen Ausbildung wurde den Lernenden stets vorgehalten, dass eine intensive Produktion von Landwirtschaftlichen Gütern den Erfolg bringen werde. Dies führte dazu, dass strategisches und unternehmerisches Denken in den Hintergrund rückte.


Ab 1993 Entgelt von Leistungen statt Abnahmegarantie

blumenwiese
Die stark auf Preisstützung und Abnahmegarantie basierte Agrarpolitik bis Anfangs der 90er Jahre führte in eine Sackgasse: Überproduktion und ein hohes Preisniveau sowie vermehrt ökologische Probleme durch die Intensivierung waren die Folge. Zahlreiche Initiativen entstanden, die in verschiedenen Schritten zu einer Änderung der Agrarpolitik führten. Die zentrale Aufgabe der modernen Landwirtschaft ist auch heute noch die Nahrungsmittelproduktion. Diese erfolgt aber nach ökologischen und nachhaltigen Gesichtspunkten, wie es das Schweizer Stimmvolk am 9. Juni 1996 mit der Zustimmung zum neuen Landwirtschaftsartikel in der Bundesverfassung verlangt hatte. (Blumenwiese, Raps und dazwischen Baum-Allee; Rolf Reinhardt)
direktzahlung
Landwirtschaft heute: Seit 1993 mit der Einführung der Direktzahlungen für gesellschaftliche Leistungen durch die Landwirtschaft haben sich auch die Ziele für die Landwirtschaft verändert. Heute werden durch die Agrarpolitik, die in der AP 2014-2017 festgelegt ist, verschiedene Zahlungsinstrumente für die Abgeltung der Erhaltung der Kulturlandschaft, Versorgungsicherheit, Biodiversität, Landschaftsqualität und besonders umwelt- und tierfreundliche Produktionsformen (u.a. Bio) bereitgestellt. (Konzept Direktzahlung; BLW)

Einfluss auf die Landwirtschaftliche Ausbildung: Vermehrt wird der Unterricht auf die alle 4 Jahre ändernde Agrarpolitik angepasst. Den jungen Landwirten wird im Unterricht beigebracht für welche Leistungen ihnen welche Vergütungen zustehen. Viele dieser Zahlungen sind nicht mehr auf einen massgeblichen Ertrag ausgerichtet, sondern dienen dem Naturschutz und der Biodiversität oder dem Tierwohl.

Die nachhaltigen Produktionssysteme sollen helfen, die Klimabelastung zu reduzieren und möglichst schonend mit den natürlichen Ressourcen umzugehen. Heutzutage ist es immer wichtiger auch richtig mit den Medien und den zuständigen Ämtern umgehen zu können, auch dies kann man am Strickhof lernen.


Handouts_Zeitstrahl_(10. Juni 2018)



Projektleiter
Daniela Halbheer
Peter Bucher

Projektmitarbeiter
Jonathan Sätteli
Lukas Roth
Marcel Iten
Markus Schmidlin
Thomas Brülisauer
Thomas Widmer

Ansprechpersonen, Betreuer
Otto Schmid
Peter Schulthess
Gerd Mayer

Ort „Lehrblätz Bläsihof“ – laufend lernen. Tradition und Aktuelles zu Landwirtschaft, Klima und Ernährung Stunden Der Verein wird unterstützt durch: Gemeinde Lindau und das Kompentenzentrum Strickhof
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